Ungewöhnliche Zeiten müssen von den Bürgern in einer Demokratie kritisch begleitet werden. Selbstverständlich sind die Maßnahmen, die zur Abwehr der Corona-Pandemie ergriffen wurden und werden, gerechtfertigt. Aber sie sind es nur zeitlich begrenzt, denn alles muss verhältnismäßig sein. Die im Grundgesetz garantierten Freiheiten und Grundrechte sind in unserem Rechtsstaat ein hohes Gut!
Deshalb ist es erstaunlich, wie die Emotionen den Vorrang vor Fakten haben. Jeden Tag sterben in Deutschland etwa 2.500 Menschen. An Unfällen, am Alter, an Krankheiten, circa 70 an Krankenhauskeimen und in Grippezeiten mehrere hundert am Tag allein an dieser Krankheit. Zurzeit haben wir insgesamt knapp 1.500 Coronatote in Deutschland, zuletzt zwischen 80 und 200 neue Todesfälle am Tag. Regional sehr unterschiedlich, am meisten in Bayern, dann folgen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen sind 35 Prozent der gestorbenen Menschen Bewohner von Altenheimen gewesen. Warum haben wir sie nicht besser geschützt? Was wird für die Bewohner, aber auch für die Pfleger getan, um diesen unerträglichen Zustand zu ändern?
Medizinische, ethische, soziale, wirtschaftliche Fragen berücksichtigen
Wir brauchen einen interdisziplinären Rat, der medizinische, ethische, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt und gewichtet. Aus dieser Bewertung muss er sehr schnell Handlungsszenarien und Maßnahmen entwickeln. Sonst laufen wir auch in Europa Gefahr, dass die negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen gegen Corona nicht mehr beherrschbar sind. Millionen Menschen haben täglich mehr Angst vor der Zukunft. Richtig ist: In Zeiten einer Pandemie müssen wir Menschen vor einer Infektion schützen. Richtig ist aber auch: Es werden weiter Menschen am Corona-Virus sterben und bei der Entscheidung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit müssen wir auch andere negative Folgen in Betracht ziehen.
Ermutigende Forschung nach Zwischenlösungen
Ermutigend sind Initiativen von Forschern, die jetzt nach Zwischenlösungen suchen, bis ein wirksamer Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gefunden ist. Dazu gehören Versuche des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie und anderer Forschungseinrichtungen, die bisher einzige wirksame Vakzine gegen Tuberkulose gentechnisch so umzubauen, dass es eine Covid-19-Infektion zwar nicht verhindert, aber ihren Verlauf abmildert. Außerdem wird in einem länderübergreifenden Projekt erforscht, ob die passive Immunisierung durch Blutplasma möglich ist. Genesene haben Antikörper gegen das Corona-Virus in ihrem Blutplasma. Wenn die Genesenen Plasma spenden, könnte das Schwererkrankten gleicher Blutgruppe zu mehr Antikörpern gegen das Virus verhelfen. Genau diese einfallsreiche, pragmatische Forschung ist das, was wir jetzt brauchen.
Deutschland kann nur einen kurzfristigen Shutdown verkraften
Wirtschaftlich kann Deutschland einen Shutdown von drei Monaten verkraften. Das heißt aber auch, dass in der 2. oder 3. Maiwoche die Kapazität in den wichtigen Industrien wieder auf mehr als 50 Prozent hochgefahren werden muss. Außerdem müssen Handel, Gastronomie und Dienstleister wieder arbeiten können. Damit wir das erreichen können, müssen vier Rahmenbedingungen erfüllt sein:
- Schutzmaßnahmen (Masken, Distancing) überall dort wo Menschen zusammenarbeiten;
- massive Testkapazitäten für den Virus und konsequente Isolation aller positiv Getesteten und von deren Kontakten;
- noch über viele Monate Schutz der besonders Gefährdeten;
- über längere Zeit ein Verbot von Menschenansammlungen und Massenveranstaltungen.
Diese Dinge verschaffen uns weitere Zeit, bis ein Impfstoff gefunden ist. Das ist das wichtigste Ziel. Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung einen verlässlichen Test für Antikörper zu finden. Denn nur so können wir wissen, wer eine Infektion mit COVID-19 überstanden hat und somit weder am selben Virus erkranken noch andere anstecken dann.